Lasten allein oder gemeinsam tragen

Gemeinsam oder allein?

Gemeinsam oder allein?

Kürzlich begegnete mir in Bern dieses Paar. Das Bild, wie die beiden gemeinsam die Einkaufstasche tragen, berührte mich. Der Anblick löste bei mir eine Fülle von Gedanken aus:

Die Tasche war ganz offensichtlich leer oder zumindest nur sehr leicht beladen – ein gemeinsames Zupacken und Teilen der Last also sicherlich nicht notwendig. Wie die Dame den Griff umfasst, lässt die Tasche zudem schräg hängen und deutet nicht auf ein bequemes Tragen hin.

Eher wirkt es wie ein Festhalten. Sich selbst oder die Tasche?

Lässt sie sich – durch die Tasche mit ihm verbunden – von ihrem Partner führen? Ist sie vielleicht sogar auf diese Hilfe angewiesen und wäre ohne den Halt orientierungslos?

Oder hält sie die Tasche, die eigentlich er trägt (um sie zu entlasten?), in einem Akt des Besitzanspruches fest? Will sie sich dieses Symbol ihrer vielleicht jahrzehntelangen Haushaltsaufgaben nicht einfach aus der Hand nehmen lassen?

Könnte sie die Tasche durchaus auch alleine tragen, überlässt aber ihm die Hauptlast und vermittelt ihm so das Gefühl, für sie sorgen zu dürfen?

Ist es ein Ritual der Verbundenheit, die Einkaufstasche gemeinsam zu tragen, ohne dass es aufgrund ihres Gewichtes nötig wäre? Einfach aus dem Zusammengehörigkeitsgefühl eines eingespielten Teams heraus?

Wie auch immer: Die beiden alten Menschen spazierten einträchtig, zufrieden und schweigend nebeneinander her, vermutlich auf dem Weg zum Einkauf. Sie einen halben Schritt hinter ihm, seine längeren Schritte durch etwas höheres Tempo ausgleichend.

Würden sie auf dem Rückweg mit gefüllter und schwerer Tasche die beiden Tragegriffe und das Gewicht unter sich aufteilen? Oder würde er auch dann das eigentliche Gewicht tragen und ihr das Gefühl vermitteln, sie helfe ihm? Wie wir einem Kind das Gefühl von Wichtigkeit und Wirksamkeit vermitteln, um es zu stärken und zu ermutigen?

Und wenn es so wäre, würde sie das bemerken? Wie würde sie darauf reagieren?

Mein Kopfkino spulte weiter …

Der Anblick des Bildes bleibt auch heute noch für mich berührend.

Es löst ein Nachdenken über die Worte «gemeinsam» und «allein» aus. Das Erkennen, wie das Gefühl der Verbundenheit durch eine einfache Einkaufstasche entstehen kann. Eine Einkaufstasche als Brücke zwischen zwei Menschen.

Wie viel Fürsorge schenkt uns das Gefühl eingebettet und verbunden zu sein, wie viel macht uns unfrei und klein? Wann wird Hilfe übergriffig, selbst wenn sie gut gemeint ist?

Wie viel mehr können wir erreichen, wenn wir zusammenspannen. Selbst wenn das Gewicht einer Last ungleich verteilt ist, kann uns schon das Wissen um die geteilte Last unterstützen und es uns leichter machen.

Zusammen sein, etwas gemeinsam tun, uns verbunden fühlen, für dich allein einstehen – wie geht es dir damit? Was lösen diese Betrachtungen bei dir aus? Woran erkennst du, wenn du verbunden bist? Wann schätzt du das Alleinsein mehr als das Zusammensein? Welche Geschenke bringt dir Gemeinschaft? Und was trägst du dazu bei?

 

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